Modellierung von Systemen und Software - MBSE und MDD
Modelle als gemeinsame Sprache im Engineering
Moderne Systeme bestehen aus weit mehr als nur Software – sie vereinen Mechanik, Elektronik und Softwarekomponenten zu hochkomplexen Gesamtsystemen. Dabei unterscheiden sich die Entwicklungszyklen oft erheblich: Software wird in kurzen, iterativen Sprints weiterentwickelt, während Hardware- und mechanische Komponenten über Monate oder Jahre hinweg entstehen.
Diese Unterschiede machen deutlich, warum Modellierung so wichtig ist: Sie schafft eine gemeinsame Grundlage für das Verständnis, die Planung und die Abstimmung über Disziplinen hinweg. Modelle ermöglichen, technische Zusammenhänge sichtbar zu machen, frühzeitig zu analysieren und Abhängigkeiten zwischen mechanischen, elektrischen und softwarebasierten Komponenten klar zu verstehen.
Egal ob es sich um mechanische Strukturen, elektrische Systeme oder Softwarelogik handelt – Modelle stellen sicher, dass alle Beteiligten über dasselbe sprechen.
Im Model-Based Systems Engineering (MBSE) dienen Modelle als zentrale Informationsquelle über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg. Systemmodelle definieren Architektur und Funktionen des Gesamtsystems und seiner Komponenten. Im Model-driven development (MDD) definieren Modelle Struktur, Verhalten und Interaktion der im System enthaltenen Softwarekomponenten.
Verlinkungen zwischen Anforderungen, Modellelementen auf System- und Softwareebene, Modul- und Systemtests bis zu Testergebnissen verbinden alle Artefakte zu einem konsistenten digitalen Abbild des Systems. So entsteht die „single source of truth“ für das gesamte Projekt.
Systemmodellierung – das große Ganze verstehen
Systemmodellierung betrachtet das Gesamtsystem mit all seinen Komponenten, Schnittstellen und Abhängigkeiten. Sie beantwortet die Frage: Wie interagieren Mechanik, Elektronik und Software, um die gewünschte Funktion zu erfüllen?
Dafür kommen oft grafische Sprachen wie SysML zum Einsatz. Architekturen, Zustände und Datenflüsse werden in Diagrammen beschrieben, die das System, seine Subsysteme und sein Verhalten anschaulich darstellen. So lassen sich Fehler früh erkennen, Varianten vergleichen und Systemänderungen präzise bewerten.
Systemmodellierung schafft Transparenz und bildet die Brücke zwischen Anforderungen, Design und Umsetzung.
Softwaremodellierung – Verhalten und Logik präzise abbilden
Während die Systemmodellierung das Gesamtsystem, gebildet aus interagierenden Subsystemen (oft aus unterschiedlichen Domänen) im Blick behält, konzentriert sich die Softwaremodellierung auf die innere Logik, das Verhalten und die Interaktion der Subsysteme bzw. Komponenten, die durch Software implementiert werden.
Mit Hilfe von UML-Diagrammen wie Zustands-, Aktivitäts- oder Klassendiagrammen wird das Verhalten von Software beschrieben, bevor Sourcecode entsteht. Das sorgt für Klarheit, Wiederverwendbarkeit und bessere Wartbarkeit.
Viele moderne Entwicklungswerkzeuge erlauben zudem die automatische Codegenerierung, wodurch sich Entwicklungszeiten verkürzen und die Qualität des Sourcecodes verbessert wird. Softwaremodellierung ist damit ein wesentlicher Bestandteil des modellbasierten Engineerings – präzise, effizient und nachvollziehbar.
Warum modellbasiertes Arbeiten den Unterschied macht
Angesichts der Komplexität moderner Systeme stößt jeder Versuch der Beschreibung mit Texten, Tabellen oder ähnlichen Mitteln schnell an seine Grenzen. Modelle hingegen visualisieren Strukturen, Abhängigkeiten und Verhalten in leicht verständlicher und dennoch eindeutiger Weise. Die Kommunikation zwischen Teams wird vereinfacht, Missverständnisse an den Schnittstellen verringert und es entsteht eine „single source of truth“. Zudem ermöglichen Modelle auch die Ausführung auf Modellebene, so dass per Simulation verifiziert werden kann, ob das Modell die Vorgaben erfüllt. Es entsteht eine solide Basis für fundierte Entscheidungen.
Systeme lassen sich bereits in frühen Phasen validieren, Fehler werden vermeiden oder frühzeitig entdeckt und Entwicklungszyklen verkürzen sich. Modellbasiertes Arbeiten ist damit nicht nur eine Methode, sondern eine Denkweise, die das Engineering grundlegend effizienter und transparenter macht.
Erfolgsfaktoren für effektive Modellierung
Um die Vorteile einer Modell-basierten Herangehensweise im Systems und Software Engineering zu erschließen, braucht es eine Projektumgebung, die Experten in die Lage versetzt, Modelle toolgestützt zu erstellen und zu bearbeiten. Dabei ist es hilfreich, eine erprobte Modellierungmethode anzuwenden, um das Fehlerrisiko zu minimieren. Die Möglichkeit der Simulation von Modellen im Tool erlaubt die Verifikation früh im Entwicklungsprozess, wenn Fehler noch relativ preiswert korrigiert werden können.
Modelle entstehen nicht als Selbstzweck. Sie liefern echten Mehrwert für Projektteams – etwa durch bessere Kommunikation oder Simulation. Ebenso entscheidend ist die Integration mit anderen Entwicklungsdisziplinen: Anforderungen, Varianten und Tests müssen in den Modellen nachvollziehbar verknüpft sein.
Für die Modellierung von Systemen hat sich die Systems Modeling Language (SysML) als sehr gut geeignet gezeigt, und die neue Version SysML v2 berücksichtigt viele Erfahrungen als realen Anwendungsszenarien der SysML v1.
Für die Software-Modellierung wird in der Regel die Unified Modeling Language (UML) eingesetzt, die aufgrund ihrer vielfältigen Erweiterbarkeit auch auf spezifische Szenarien angepasst werden kann.
Wie System- und Softwaremodellierung mit anderen Disziplinen zusammenspielen
Das Modell des Gesamtsystems inklusiver seiner Subsysteme dient über den gesamten Engineering Prozess als Referenzbeschreibung des zu entwickelnden Produktes. Es ist verknüpft mit den Anforderungen und den weiteren im Verlaufe des Prozesses entstehenden Artefakten, welche bei der Implementierung der Subsysteme entstehen. Dazu zählen die Artefakte der Implementierung genau wie Testsequenzen, Testfälle und Testresultate. Anhand der Verknüpfungen lässt sich auf Detailebene präzise verfolgen, wie eine einzelne Anforderung designed, realisiert und getestet wird. So entsteht vollständige Traceability über den gesamten Engineering-Prozess.
Softwaremodelle spielen eine besondere Rolle in diesem Kontext, da sie genau wie Systemmodelle per Simulation bereits frühzeitig verifiziert werden können, und durch die Möglichkeit der Verknüpfung auf Modulebene dazu beitragen, vollständige Transparenz und Traceability zu ermöglichen.
Diese Fähigkeiten bilden wiederum die Grundlage für vielfältigen Nutzen, beispielsweise für Coverage-Analysen, Status-Reports, Compliance-Dokumentationen, Qualitätsnachweise und vieles mehr.
Die Modellierung von Systemen und Software ist ein essentieller Enabler für durchgängiges Engineering. Mit einer Tool-Umgebung, die Disziplin-übergreifende Verknüpfungen über den ganzen Prozess ermöglicht, werden MBSE und MDD zu zentralen „Knotenpunkten“ und tragen entscheidend zum Erfolg eines Projektes bei.
Beispiele für gängige Modellierungswerkzeuge
IBM Rhapsody
Ein etabliertes Modellierungswerkzeug für Systeme und Software, mit Unterstützung für SysML und UML sowie viele gängige Architektur-Frameworks. Sehr flexibel anpassbar für Projekte. Unterstützt Simulation auf Modellebene sowie Verknüpfung mit anderen Lifecycle Werkzeugen.
Cameo Systems Modeler (Dassault Systèmes)
Flexibles Tool mit breiter Methodikunterstützung, von SysML bis zu domänenspezifischen Erweiterungen. Häufig genutzt in großen Systems-Engineering-Umgebungen.
Enterprise Architect (Sparx Systems)
Bekannt für seine Vielseitigkeit und vergleichsweise geringen Einstiegskosten. Unterstützt UML, SysML und BPMN und wird sowohl für Architektur- als auch für Prozessmodellierung eingesetzt.